Hermes: Der Götterbote

Hermes Steckbrief

  • Aufgabe: Hermes ist der Götterbote des Zeus. Zugleich fungiert er als FĂŒhrer der Seelen in die Unterwelt (Psychopompos) und gilt als Schutzgott der Reisenden, Kaufleute und Hirten. Er ist auch der Gott der Diebe und der Redekunst.
  • Attribute: Sein Hauptsymbol ist der Kerykeion (Hermesstab) – ein goldener Heroldsstab, umwunden von zwei Schlangen. Bekannte Attribute sind außerdem der breite Pilgerhut (Petasos), ein geflĂŒgelter Helm und geflĂŒgelte Sandalen. Gelegentlich wird er auch mit Tieren wie Schildkröte, Widder oder Stier dargestellt.
  • Vater: Gott Zeus
  • Mutter: Nymphe Maia
  • Griechischer Name: áŒ™ÏÎŒáż†Ï‚ (Hermᾗs) oder áŒ™ÏÎŒÎ”ÎŻÎ±Ï‚ HermeĂ­as; neugriechisch Î•ÏÎŒÎźÏ‚ ErmĂ­s
  • Römischer Name: Mercurius (lateinisch: Mercurius, im Deutschen Merkur)
Hermes

Wer war Hermes?

Hermes war einer der zwölf olympischen Götter in der griechischen Mythologie. Er wurde als Sohn des Zeus und der Plejade Maia geboren und verkörperte Vielseitigkeit und Schnelligkeit. Er galt als Schutzgott des Handels, der Reisenden und des Verkehrs, der Kaufleute sowie als Schutzpatron der Diebe, der Rhetorik, KunsthĂ€ndler und Hirten. Als Götterbote ĂŒberbrachte er die BeschlĂŒsse der Götter an die Sterblichen und leitete die Seelen Verstorbener in die Unterwelt. Zu seinen Merkmalen zĂ€hlt ĂŒbermenschliche Geschwindigkeit (geflĂŒgelte Sandalen), dank derer er sich „schneller als das Licht“ bewegen kann đŸȘœ. Vor Hermes’ Geburt war im Olymp die Göttin Iris als Botschafterin der Götter tĂ€tig.

Hermes Aufgaben

Hermes erfĂŒllte in der Mythologie zahlreiche Aufgaben:

  • Götterbote: Er ĂŒbermittelt den Willen des Zeus an die Menschen und vermittelt zwischen Götterwelt und Sterblichen.
  • SeelenfĂŒhrer: Als Psychopompos (Personifikation des Todes) geleitet er die Seelen Verstorbener in den Hades.
  • Schutzpatron: Er beschĂŒtzt HĂ€ndler und Reisende und fördert Handel, Verkehr und GlĂŒck.
  • Gott der Diebe und Kunst: Er steht fĂŒr List und Schlauheit (daher Patron der Diebe) und ist zugleich Schutzgott der Rhetorik und Redekunst.
  • Magier und Traumlenker: Mit seinem Kerykeion-Stab (auch Caduceus) kann er Menschen in Schlaf versetzen und TrĂ€ume hervorrufen. Durch seine Verbindung zur Alchemie und Magie gilt er auch als Gott der Zauber und der esoterischen KĂŒnste.

Hermes Eigenschaften

Hermes wird oft als junger, schmucker Mann dargestellt (bartlos, mit athletischem Leib). Er zeichnet sich vor allem durch Klugheit, List und Erfindungsreichtum aus: Schon als Neugeborener flĂ¶ĂŸte man ihm Schlauheit ein. In der Mythologie wird er als „schelmischer Tunichtgut“ und verschlagener Überbringer beschrieben. Dabei ist er redegewandt und höflich – passend zu seiner Rolle als Vermittler und Hermeneut – aber auch in der Lage, seine Schalkheit gezielt einzusetzen.

Hermes Bedeutung

Der Hermes-Kult zĂ€hlt zu den Ă€ltesten im griechischen Pantheon. Er symbolisierte in besonderer Weise die Vermittlung: Als Götterbote stand er fĂŒr verstĂ€ndliche Kommunikation und deutende Weisheit (daher leitet sich der Begriff Hermeneutik von seinem Namen ab). Gleichzeitig verkörperte er Offenheit fĂŒr Wandel und Grenzen – er war der Grenzgott, der ÜbergĂ€nge sicherte und GlĂŒck brachte. In seiner Rolle als Hirtengott (oft dargestellt als Kriophoros, der SchaftrĂ€ger) steht er auch fĂŒr FĂŒrsorge und Fruchtbarkeit – der getragene Widder symbolisiert die Seele des Verstorbenen und zeigt seinen Status als wohlwollender SeelenfĂŒhrer.

Herkunft, Geburt und Kindheit Hermes

Hermes entstammt einer arkadischen Sage: Er wurde auf dem Berg Kyllene in Arkadien geboren (manchmal wird auch der Geburtsort rund um den Olymp genannt). Als Sohn der Titelgebenden war er von Anfang an listig: Noch am Tag seiner Geburt verließ er die Höhle seiner Mutter Maia, tötete eine Schildkröte und baute daraus seine erste Leier. Anschließend stahl er 50 Rinder des Gottes Apollon, verschleierte seine Spuren und legte sich unbemerkt wieder in seine Wiege. Bei der anschließenden Konfrontation zeigte Hermes seine SchlĂ€ue und ĂŒberredete Apollon, im Tausch fĂŒr die neu erfundene Leier auf die Rinder zu verzichten. Dieser Geburtshymnus (Homerischer Hymnos an Hermes) unterstreicht sein Erfindungsreichtum und Verhandlungsgeschick.

Ehe und Liebschaften von Hermes

Hermes wird in den Mythen nicht mit einer festen Ehefrau genannt, sondern als Liebhaber vieler Göttinnen und Nymphen beschrieben. Zu seinen Geliebten zĂ€hlen zahlreiche Nymphen wie Karmentis, Sose und Tanagra sowie mĂ€nnliche Gestalten wie der Arkadier Krokos und der Thebanenkönig Amphion. Mit der Göttin Aphrodite verbindet man ihn in einigen ErzĂ€hlungen romantisch; aus dieser Verbindung entstand der androgynste Gott Hermaphroditos („Herme des Aphroditos“).

Kinder, Töchter und Söhne des Hermes

Zu Hermes‘ Nachkommenschaft zĂ€hlen sowohl göttliche als auch irdische Gestalten. Der bekannteste Sohn ist der Hirtengott Pan, den er mit einer Nymphe (als mögliche Mutter werden u. a. Dryope, Penelope, Persephone oder die Ziege Amaltheia genannt) zeugte. Aus der Verbindung mit Aphrodite stammt Hermaphroditos, ein Zwitterwesen. Als sterbliche Söhne gelten der Hirtendichter Daphnis, die Argonauten Eurytos und Echion (aus Verbindungen mit je einer Nymphe/Sterblichen), sowie weitere mythische Gestalten wie Abderos (GefĂ€hrte des Herakles) und der legendĂ€re Dieb Autolykos.

Hermes Geschwister

Als Sohn des Zeus zĂ€hlt Hermes eine Vielzahl von (Halb‑)Geschwistern. Dazu gehören vor allem andere Kinder des Zeus: Apollon und Artemis (beide halbe Geschwister ĂŒber Zeus), ebenso Athene, Ares, Dionysos, Hebe u. a., sofern man unter Geschwistern alle olympischen Kinder des Zeus fasst. Nach traditioneller Mythologie sind also fast alle olympischen Götter und manche Heroen indirekt Geschwister von Hermes.

Mythen und Sagen ĂŒber Hermes

Eine Auswahl von ErzÀhlungen zu Hermes aus der griechischen Mythologie:

Homerischer Hymnos an Hermes (Geburt, Leier, Rinderraub)

Geburt auf dem Kyllene in Arkadien als Sohn der Maia. Noch am ersten Tag verlĂ€sst Hermes die Höhle, tötet eine Schildkröte und baut aus Panzer und Saiten die erste Leier. Anschließend treibt er heimlich einen Teil der Rinderherde des Apollon fort, verwischt die Spuren, indem er die Hufe rĂŒckwĂ€rts schuhen lĂ€sst, entzĂŒndet nĂ€chtlich ein Opferfeuer und kehrt unbemerkt in die Wiege zurĂŒck. Apollon stellt ihn, doch die Auseinandersetzung endet in einem Tausch: Apollon erhĂ€lt die Leier, Hermes den Hirtenstab (Kerykeion) sowie Anerkennung und ZustĂ€ndigkeiten. Der Hymnos begrĂŒndet seine Funktionen als listenreicher Erfinder, Musiker, HĂ€ndler und Vermittler.

Io und Argos Panoptes (Argeiphontes)

Zeus‘ Geliebte Io wird von Hera in eine Kuh verwandelt und vom hundertĂ€ugigen Argos bewacht. Zeus beauftragt Hermes mit ihrer Befreiung. Hermes betört Argos mit Rede, Lied und Flöte, versetzt ihn in Schlaf und tötet ihn; daher der Beiname Argeiphontes („Argostöter“). Hera setzt die Augen des Argos auf das Gefieder des Pfaus. Io wird weiter gehetzt, bis sie schließlich am Nil ihre Gestalt zurĂŒckerhĂ€lt. Der Mythos unterstreicht Hermes‘ Rolle als listiger Vollstrecker göttlicher AuftrĂ€ge.

Hermes und Odysseus (Kalypso und Kirke)

Auf Zeus‘ Befehl fliegt Hermes zur Nymphe Kalypso und ordnet die Freilassung des Odysseus an; Kalypso hilft daraufhin beim Bau des Floßes. SpĂ€ter begegnet Hermes Odysseus auf Aiaia, warnt vor Kirke und ĂŒberreicht das Kraut Moly, das gegen Verzauberung schĂŒtzt. Kirke wird mit List besiegt und zur Gastgeberin gezwungen. Hermes erscheint als göttlicher Bote, Schutzpatron der Reisenden und Spender wirksamer Hilfsmittel.

Perseus und die Gorgone Medusa

Perseus erhĂ€lt von Hermes wesentliche AusrĂŒstung: FlĂŒgelschuhe (geflĂŒgelte Sandalen), eine krumme Klinge (Harpe) und Anweisungen, wie die Graien zu ĂŒberlisten sind. Mit Helm der Unsichtbarkeit und Kibisis (Beutel) gelingt die Enthauptung der Medusa ohne direkten Blickkontakt. Hermes fungiert als Wegweiser, Ratgeber und technischer AusrĂŒster heroischer Unternehmungen.

Hermes als Psychopompos (SeelenfĂŒhrer)

Als Psychopompos geleitet Hermes die Seelen der Verstorbenen in den Hades. Die Rolle ist literarisch und ikonographisch breit belegt: Er sammelt die Seelen, beschwichtigt den Übergang und ĂŒbergibt sie den chthonischen MĂ€chten. In Darstellungen erscheint er mit Reisemantel, Petasos und Kerykeion an der Grenze von Diesseits und Jenseits.

Hermes und der junge Dionysos

Nach Semeles Tod wird der ungeborene Dionysos von Zeus gerettet und ausgetragen; Hermes ĂŒbernimmt die Logistik der Rettung: Er bringt das Kind in sichere Obhut – zu Ino und Athamas oder zu Nymphen auf dem Berg Nysa. Der Mythos betont Hermes‘ Sorge fĂŒr gefĂ€hrdete Göttliche und seine Diskretion bei heiklen AuftrĂ€gen.

Hermes und Herakles

In mehreren ErzĂ€hltraditionen und Bildquellen begleitet Hermes Herakles, insbesondere beim Abstieg in die Unterwelt zur Erbeutung des Kerberos („Höllenhund“). Hermes fĂŒhrt den Weg, verhandelt ÜbergĂ€nge und wacht ĂŒber die Einhaltung der göttlichen Ordnung bei der GrenzĂŒberschreitung. Die NĂ€he von Held und Gott illustriert Hermes‘ Funktion als Mittler zwischen SphĂ€ren.

 Typhon und die geraubten Sehnen des Zeus

Als der Gigant Typhon Zeus entmachtet und dessen Sehnen raubt, gewinnen Hermes und (in manchen Fassungen) Aigipan die Beute listig zurĂŒck und setzen Zeus wieder instand. Der Mythos zeigt Hermes als Retter der kosmischen Ordnung durch kĂŒhne, aber unblutige List.

Battos und der Meineid (spÀtere Ausgestaltung)

In einer spĂ€teren, vor allem römischen ErzĂ€hlvariante beobachtet der Hirte Battos einen von Hermes begangenen Viehdiebstahl. Hermes kauft sein Schweigen, kehrt verkleidet zurĂŒck und prĂŒft ihn erneut; Battos verrĂ€t sich und wird zur Strafe in Stein verwandelt. Thema ist die Sanktion des Meineids und seine Rolle als PrĂŒfer von Treue und Verschwiegenheit.

Hermes und Pandora

Bei der Erschaffung Pandoras stattet Hermes sie mit gewandter Rede und listigem Geist aus („Allbegabte“). Damit erhĂ€lt die erste Frau nicht nur Anmut, sondern auch Überredungskunst – ein Motiv, das Hermes‘ ZustĂ€ndigkeit fĂŒr Sprache, Klugheit und Ambivalenz spiegelt.

Hermes im Trojanischen Krieg

Im 24. Gesang der Ilias geleitet Hermes König Priamos, der das Lösegeld fĂŒr Hektors Leichnam bringt, unerkannt durch das Lager der Griechen zu Achilleus. Er blendet die WĂ€chter, fĂŒhrt den Wagen sicher und kehrt nach der Begegnung zurĂŒck. Hermes erscheint als Garant heiliger BittgĂ€nge und als BeschĂŒtzer ritueller Friedenshandlungen.

Erfinder, Stifter, Grenzgott

Als Kulturstifter gilt Hermes als Erfinder der Leier (aus der Schildkröte), der Sandalen und – in manchen Überlieferungen – von Feuerbohrern und bestimmten Maß- und Handelspraktiken. Als Grenzgott ist er Namengeber der Hermae (HermensĂ€ulen) an Straßen und Grenzen; die Mythen erklĂ€ren seine PrĂ€senz an ÜbergĂ€ngen, MĂ€rkten und Wegen durch Schnelligkeit, Redegewandtheit und weltverbindende Kompetenz.

Verehrung von Hermes

Die Verehrung des Hermes war im gesamten griechischen Raum prĂ€sent und spiegelte seine Rolle als Grenz-, Wege- und Handelsgott in Kulttopographie, Ritual und Ikonographie wider – von Hermai an Straßen, Toren und MĂ€rkten ĂŒber Agoraios- und Enagonios-Kulte bis zu regionalen AusprĂ€gungen und spĂ€tem Synkretismus mit Mercurius und Hermes-Thot.

Kultorte und Topographie

Hermes wurde im gesamten griechischen Raum verehrt, mit Schwerpunkt in Arkadien (Berg Kyllene als mythischer Geburtsort), auf dem Peloponnes (u. a. Olympia) sowie in Attika (Athen und PirĂ€us). In Athen besaß Hermes als Agoraios eine besondere PrĂ€senz auf dem Marktplatz; im Umfeld von Handel und Verkehrswegen standen zahlreiche Herme-SĂ€ulen. In Olympia erschien er als Enagonios („der Spiele“), was seine NĂ€he zu Athletik und Wettkampf betonte. In Böotien (u. a. Tanagra) war der Typus Kriophoros („WiddertrĂ€ger“) verbreitet, in KĂŒsten- und HafenstĂ€dten der ÄgĂ€is wurde Hermes als Schutzgott der Reisenden und HĂ€ndler angerufen. HeiligtĂŒmer und kleine KultplĂ€tze finden sich darĂŒber hinaus an Passhöhen, Wegkreuzungen und GrundstĂŒcksgrenzen.

Kultbilder, Hermai und Grenzsymbolik

Kennzeichnend fĂŒr den Hermes-Kult sind die Hermai: quader- oder pfeilerförmige SteinsĂ€ulen mit bĂ€rtigem Kopf (Hermes-Antlitz) und phallischem Symbol. Sie fungierten als apotropĂ€ische Weg- und Grenzmale, markierten Kreuzungen, HofeingĂ€nge, öffentliche GebĂ€ude und Gymnasien. Reisende brachten kleine Steine dar und vermehrten so „Steinhaufen“ (Herma), die als Ă€lteste Form der Verehrung gelten. Hermai wurden bekrĂ€nzt, mit Öl bestrichen und in FestzĂŒgen geschmĂŒckt. Der Skandal der Hermenmutilationen in Athen (415 v. Chr.) vor der Sizilienexpedition zeigt die politische und religiöse Bedeutung dieser Kultmale: BeschĂ€digungen galten als Sakrileg und böses Omen fĂŒr Stadt und Heer.

Kultrituale, Opfer und Festkalender

Im attischen Kalender war der vierte Tag jedes Monats Hermes (und hĂ€ufig Aphrodite) geweiht. Opfer bestanden zumeist aus Kleinvieh und Speise- sowie Trankspenden (Brote, FrĂŒchte, Wein, Öl, Weihrauch). Kaufleute weihten Weihinschriften und Statuetten nach gelungenen GeschĂ€ften oder sicheren Seereisen. Als Psychopompos erhielt Hermes in chthonischer Funktion getrennte Anrufungen; diese betonten Schutz beim Übergang und die sichere FĂŒhrung der Seele. In zahlreichen Poleis wurden Hermaia gefeiert – Spiele und Wettbewerbe im Umfeld von Gymnasion und PalĂ€stra; Knaben, Epheben, Athleten und Herolde standen dabei im Mittelpunkt. In lĂ€ndlichen Regionen verband man Hermes-Feste mit Herdensegen und Wegschutz, teils mit Prozessionen an die Grenzen des Stadt- oder Dorfgebiets.

Hermes im Gymnasion und bei den Kerykes

Hermes galt als Schutzgott der Gymnasia und PalĂ€stren. In deren Vorhöfen standen Hermai, die bei Beginn von Übungen bekrĂ€nzt und geölt wurden. Die Verbindung zu Herolden (kērykes) ergab sich aus seiner Rolle als Götterbote: Herolde beriefen sich auf Hermes als Patron ihrer sakralen und diplomatischen Aufgaben (Heiligung von WaffenstillstĂ€nden, Ladungen, Proklamationen). Auch Rhetoren und Kaufleute verstanden ihn als GewĂ€hrsmann geregelter Kommunikation und erfolgreichen Aushandelns.

Epitheta und KultausprÀgungen

Lokale Kulte hoben unterschiedliche Aspekte hervor:

  • Hermes Agoraios (Markt, Handel, Vertrag)
  • Hermes Enagonios (Wettkampf, Athletik)
  • Hermes Propylaios (Schutz von Toren und ZugĂ€ngen)
  • Hermes Kriophoros (Schutz der Herden, Abwehr von Seuchen; ikonographisch als WiddertrĂ€ger)
  • Hermes Chthonios / Psychopompos (SeelenfĂŒhrung, GrenzĂŒberschreitung zwischen Welten)
  • Hermes Hegemonios / Epimelios (FĂŒhrung und Obhut ĂŒber Herden, Reisegeleit)

Die Vielfalt der Epitheta (Beinamen) spiegelt die Funktion als Grenz- und Übergangsgott, der Verkehr, Handel, Körperkultur, Rede und Jenseits gleichermaßen ordnet.

StĂ€dtebild, Recht und Ökonomie

Im StĂ€dtebild waren Hermai Orientierungspunkte und Rechtszeichen: Sie markierten Eigentumsgrenzen, Prozessionswege und sakrale Zonen. Ihre Unversehrtheit stand unter öffentlichem Schutz; VerstĂ¶ĂŸe wurden als Angriff auf das Gemeinwesen verfolgt. Im ökonomischen Bereich begleiteten Hermes-Weihen VertragsabschlĂŒsse, GrĂŒndungen von HĂ€ndlerassoziationen und Stiftungen fĂŒr Marktanlagen. In HafenstĂ€dten fanden sich Hermai an Kais, Speichern und Zollstellen; die Kerykeion-Darstellung fungierte als Signet geordneten Waren- und Nachrichtentransfers.

Ikonographie und archÀologische Zeugnisse

Statuen des Hermes Kriophoros und Hermes Logios (redegewandt, mit Kerykeion) zĂ€hlen zu verbreiteten Typen. Der Praxiteles-Hermes (Hermes mit dem Dionysosknaben, ursprĂŒnglich Olympia) prĂ€gte das Bild eines jugendlichen, grazil-bewegten Gottes. Vasenbilder zeigen ihn als Vermittler in Götter- und Heldenszenen, hĂ€ufig an Wegpunkten oder in Übergangsmomenten. Hermai sind als Steinpfeiler, Marmorhermen und als Kleinplastik erhalten; Inschriften belegen Stifter, Festtermine und lokale KulteigentĂŒmlichkeiten.

Regionale und zeitliche Wandlungen

In der klassischen Zeit treten Markt-, Wettkampf- und Grenzaspekte hervor; in hellenistischer Zeit weitet sich die MobilitÀts- und Kommunikationssymbolik mit dem expandierenden Handelsnetz. In der römischen Kaiserzeit verschmilzt Hermes im Rahmen der Interpretatio Romana weithin mit Mercurius; HÀndler und Reisende verehren ihn im gesamten Mittelmeerraum. In Grenzprovinzen verbinden sich Mercurius-Kulte mit lokalen Gottheiten, was die AnpassungsfÀhigkeit des Hermes-Profils unterstreicht.

Synkretismus und gelehrte Nachwirkung

In der gelehrten Religion der SpĂ€tzeit erscheint Hermes-Thot (Hellenistische Ägypten) als TrĂ€ger schriftkundlicher und kosmologischer Weisheit; daraus gingen hermetische Traditionen hervor. Diese Strömungen gehören nicht mehr zum stĂ€dtischen Polis-Kult, zeigen aber die kulturhistorische Weiterwirkung des Hermes als Symbol von Vermittlung, Sprache und Erkenntnis.

Fallbeispiel Tanagra: Seuchenabwehr und Prozession

Ein exemplarischer Kultbericht ĂŒberliefert, dass Hermes als Kriophoros die Stadt schĂŒtzte, indem sein Bild – oder ein Priester in dieser Rolle – mit einem Widder um die Stadtmauern zog, um Unheil abzuwehren. Der Ritus verband Grenzschutz, Herdensegen und stĂ€dtische Gesundheitspflege und veranschaulicht die praktische Dimension des Hermes-Kults im Gemeinwesen.

Antworten auf die wichtigsten Fragen zu Hermes dem Götterbote

Olympischer Gott; Götterbote; SeelenfĂŒhrer (Psychopompos); Schutzgott von Handel, Reisenden, Hirten und – aufgrund seiner List – auch der Diebe und Redner.

FĂŒr Vermittlung, Kommunikation, GrenzĂŒbergĂ€nge, Bewegung und glĂŒcklichen Verkehr im wörtlichen wie wirtschaftlichen Sinn.

Außerordentliche Schnelligkeit (geflĂŒgelte Sandalen), kluge Rede und Verhandlungsgeschick, listige Strategie, musikalische und erfinderische Begabung (Leier). Mit dem Kerykeion kann er Schlaf/TrĂ€ume bewirken; in Mythen bringt er auch magische AusrĂŒstung in Umlauf (z. B. Tarnkappe fĂŒr Perseus).

Der Heroldsstab (Kerykeion, lat. Caduceus) mit zwei Schlangen.

Petasos (Reisehut), geflĂŒgelte Sandalen, teils FlĂŒgelhelm; Herme-SĂ€ulen als Grenz- und Wegmale; als Tierattribute u. a. Widder und Schildkröte.

Ja: Argeiphontes (Argostöter), Psychopompos (SeelenfĂŒhrer), Kriophoros (WiddertrĂ€ger), Agoraios, Enagonios, Propylaios, Kyllenios u. a.

Grenzen zu ĂŒberschreiten und SphĂ€ren zu verbinden (Götter-Menschen-Unterwelt); Schutz und Geleit; Schlaf/Traumbeeinflussung mittels Kerykeion; listige TĂ€uschung und rasche Bewegung.

Wahrscheinlich von hĂ©rma („Stein, Grenzmal“); verweist auf Hermai-SĂ€ulen als Ă€lteste Verehrungsform.

Nein. Das Unternehmen HermĂšs ist nach dem GrĂŒnder Thierry HermĂšs benannt (Paris, 1837); die Namensgleichheit ist zufĂ€llig, nicht kultisch.

Nach dem griechischen Götterboten – als Symbol fĂŒr Botendienst, schnelle Zustellung, Wege- und Handelsschutz. Der Name wurde 1972 bei der GrĂŒndung durch Otto Versand gewĂ€hlt.

WeiterfĂŒhrende Informationen & Quellen